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Rede von Andreas Stucken, Zweigstelle_Berlin zur Ausstellungseröffnung im Max Planck Institut am 28.03.2019

 

Inge Jakobsen „Malerei im Quadrat“

 

Ausstellung im Max-Planck-Institut, Am Klopferspitz 18, 82152 Martinsried | 28.3.-17.5.2019

 

 

Was haben Platon, Kasimir Malewitsch, das Max-Planck Institut für Biochemie und Inge Jakobsen

gemeinsam?

 

Alle 4 beschäftigen sich unter anderem mit einer geometrischen Figur, dem Quadrat:

 

Platon nutzt es in seiner Wiedererinnerungslehre als Beweis für die Unsterblichkeit der Seele, indem er Sokrates und den Sklaven Menon einen Dialog darüber führen läßt. Für Platon war das Quadratneben dem Kreisvon vollendeter Schönheit, in sich selbst von Natur aus schön.

 

Malewitsch malt 1915 sein „Schwarzes Quadrat auf weißem Grund", das zum visuellen Manifest des Suprematismus wird. In ihm ist alles, die „Farbe“, die Form und die Struktur auf „Null“ reduziert. Damit wird das Ende der Malerei postuliert.

 

Das Max-Planck Institut hat als Logo ein Quadrat, das zwar auseinanderstrebt, aber von 2 Pfeilen zusammengehalten wird und die Transduktion, den Gentransfer, also die Kommunikation zwischen den Zellen darstellt.

 

Inge Jakobsen hat ihre Ausstellung „Malerei im Quadrat“ genannt und zeigt unter anderem kippende Quadrate in verschiedenen Ausprägungen und Farben. Der Titel impliziert sowohl herkömmliche, zweidimensionale als auch räumliche, objekthafte Malerei.

 

Was aber ist denn nun eigentlich ein Quadrat?

 

Ein Quadrat (lat. quadratum) ist per Defintion ein Rechteck mit vier gleich langen Seiten.

Es gibt weder Augen noch Inhalten eine Richtung vor, mit einem Goldenen Schnitt ist ihm nicht beizukommen, es präsentiert sich harmonisch, geschlossen und ausgewogen. Das Quadrat ruht in sich und ist in seiner Autonomie der Kreisform am nächsten.

Die „Quadratur des Kreises“also der Versuch, aus einem Kreis ein Quadrat mit identischer Fläche zu konstruierenist seit Jahrhunderten eines der populärsten mathematischen Probleme und hat als Bezeichnung einer schier unlösbaren Aufgabe Eingang in zahlreiche Sprachen gefunden.

 

In ihrer regelmäßigen Form hatten quadratische Abgrenzungen in frühen Zeiten magisch-abwehrenden Charakter, bildeten einen heiligen Bezirk. Tempel, Altäre, Städte wurden auf quadratischem Grundriss erbaut. Im Kreuzgang vieler Klöster umwandelt man meditierend das Geviert eines Innenhofes.

Ein Quadrat auszuschreiten bedingt einen Perspektivwechsel jeweils an den vier Ecken im Sinne der vier Himmelsrichtungen und ihrer Symbolik. Psychologisch bedeutet es, einen anderen Blickwinkel auf das Leben zu gewinnen.

n einem neuen Licht chten, uns zu hinterfragen und gegebenfalls neu zu definieren.

 

Und das ist nun wieder genau das, was die Kunst mit uns Menschen macht. Sie animiert uns, die Dinge in einem neuen Licht zu betrachten, uns zu hinterfragen und gegebenenfalls neu zu definieren.

 

Dies trifft insbesondere auch auf die Quadrate von Inge Jakobsen zu:

 

Diese sind farbig, kippend, ruhig oder lebhaft. Im Vordergrund spürt man das Hauptthema der Malerin, nämlich den Kontrast zwischen Malerei und Form, Gefühl und Kalkül.

 

Die Schwere des Quadrates verwandelt sie durch diagonale Richtungen in Leichtigkeit, das adynamische wird beweglich, farbige, verschwommene Strukturen werden kontrastiert gegen deckende, leuchtende Farben.

 

Warum Quadrat, habe ich die Künstlerin gefragt, und diese Antwort bekommen:

 

„Für mich ist ein Quadrat ja im Grunde genommen wie ein Kreis, überall gleich - eigentlich rund und harmonisch - wenn nicht die 4 Ecken wären …….. Ich finde Quadrate interessant, weil es für mich ein Sinnbild der absoluten Nonfiguration ist. Ich male gerne asymmetrische Quadrate, auch als Protest gegen das Ende der Malerei.

 

Außerdem finde ich das kippende Quadrat besonders spannend. Das Quadrat steht für mich als eine Art Harmonie, weil es ja für mich „RUND“ ist, und weil Menschen Quadrate gern bauen. Das muss ja ein Grund haben.“

 

Praktisch und gut ist das Quadrat auch, wie RITTER Sport sagt, man kann Quadrate stapeln und spart damit Platz. Das Quadrat ist eine für die meisten Menschen bekannte Form und eine Aufforderung zum Bauen. Inge Jakobsen stapelt nicht, sie stellt nur ein Quadrat dar, das sich von der Umgebung löst, auf einem Eck steht und eine Spannung auslotet - es gibt nur eine Frage - vor oder zurück.

Inge Jakobsen wurde 1963 geboren in Middelfart, Dänemark, lebt und arbeitet seit 20 Jahren in Dachau und hat Malerei in Dänemark und an der Akademie der Bildenden Künste in München, dort bei Prof. Martin Hollmann studiert.

Im Studium hat sie sich intensiv mit Skulpturen beschäftigt, insbesondere mit dem David von Michelangelo. Sie hat sich mit der Farbenlehre auseinandergesetzt und das Farbenmischen gelernt.

Viele ihrer Bilder hat sie aus naturalistischen Landschaftsbildern entwickelt. Noch heute geht sie in die Natur und zeichnet. Ihre Skizzenbücher zeigen, dass sie die Natur und ihre Phänomene, besonders die der extremen Kontraste, sehr genau beobachtet.

 

 

Die Durchblicke, die Inge Jakobsen seit ungefähr 2010 malt, sind oft aus eben diesen naturalistischen Zeichnungen entstanden und geben eine Räumlichkeit wieder, lassen den Blick in die Ferne gerichtet und doch in der Ebene des flachen Bildraumes verweilen.

 

Diese Bilder beschäftigen sich mit der ungeklärten Fläche im Bild, der Nichtentsprechung einer räumlichen Ebene, also der Entstehung von (schwarzen) Löchern und deren malerischen Umsetzung. Auch die Objekte (blau / gelb) arbeiten mit diesem positiv / negativ Gegensatz und der Aktivierung des dazwischen liegenden, nicht beschriebenen Raumes.

 

Die Farbigen Formen entstanden seit 2004 in Schwarz Weiß, später in Farbe. Das Hauptthema in diesen und auch den anderen Bildern ist der Simultankontrast, ein Kontrast, bei dem die Farben ihren ursprünglichen Charakter verlieren, im Versuch des Auges sich zu einem Komplementärkontrast zu verwandeln. Dadurch entstehen Schwingungen, teilweise manchmal unangenehm, meistens jedoch faszinierend, weil im Bild eine Bewegung stattfindet, die Formen fangen an, sich zu bewegen, werden vibrant.

 

Diese Schwingungen des Simultankontrastes nutzt Inge Jakobsen gerne aus in ihrer Farbwahl, mal mehr, mal weniger ausgeprägt. Die Formen, zackig, bis zum Rand, irritieren durch die Wechselwirkung von Hintergrund und Figur, und die Einschnitte wirken perspektivisch, wodurch eine simulierte Bewegung gefördert wird.

 

Die neuesten Bilder und Objekte aus den PARALLELWELTEN sind mehrdimensional und lassen in ihrer Diagonalität mehrere Perspektiven und Verschiebungen zu, was zusätzlich noch durch die Farbe unterstützt wird. Sie haben abstrakte Züge, können durchaus an Orte erinnern, sie klappen auf, bilden Raumspalten und gehen dann wieder zu, weil sie nicht  scheinperspektivisch sind. Man kommt wieder zurück auf die Realitätsebene und befindet sich im Hier und Jetzt.

 

Die Objekte - blau und gelb - auf den Stirnseiten sind quasi die räumliche Entsprechung dieser Parallelwelten, sie haben sich aus dem Rahmen gelöst und führen ein eigenständiges, dreidimensionales Leben.

 

Seit 30 Jahren arbeitet Inge Jakobsen daran, Form und Farbe so hinzubekommen, dass keins davon leidet. Es ist wie das Gefühl und die Logik - eines davon leidet immer unter dem anderen.

 

So ist für Inge Jakobsen die Malerei ohne Klärung der Form, wie z.B. in der konkreten Malerei, nicht vollständig. Zu oft leidet ihrer Meinung nach die Farbe unter der Strenge der Form.

 

„Es ist mein Bestreben, eine Klarheit in der Form zu erreichen, die die Farbe nicht nur leben lässt, sondern sogar unterstützt. Wenn mir das gelingt, bin ich zufrieden. Fürs erste. Wenn mich die Form dann auch noch überrascht, bin ich sogar glücklich.“

 

Glücklich sind wir auch über die Ausstellung, die den Charakter einer Retrospektive hat, den Bogen spannt von frühen Arbeiten, die schon den Nukleus dessen in sich haben, was in den aktuellen Werkgruppen in verschiedenen Ausprägungen zu sehen ist.

 

Als wir am Dienstag hier ankamen, um aufzubauen, haben wir einen Raum vorgefunden, der von den Mitarbeitern des MPI als Durchgangsraum genutzt wird. Nun haben wir ihn in ein Museum verwandelt und hoffen, dass sie auf ihrem Weg von a nach b auch mal vor dem einen oder anderen Bild verweilen werden und die Muße haben, sich darauf einzulassen. Ich kann Ihnen versprechen, es lohnt sich!

 

 

Text: Andreas Stucken | Zweigstelle Berlin

 

 

 

Aus einer Rede von Kunsthistorikerin Brigitte Klebac:

 

„Inge Jakobsen möchte in ihren Bildern unter Einbeziehung von unterschiedlichen Farbkontrasten und einem vielgestaltigen Formenvokabular solche Gegensätze wie Malerisches und formale Strenge, Leidenschaft und kontrollierte Reflexion zu einer harmonischen Einheit bringen.

 

Mit großer Bedachtsamkeit entwickelt sie ein Wechselspiel von farbigen Flächen, Formen und imaginären Räumen, die in ihrer Gestaltung und dynamischen Ausrichtung von vibrierender Schwingung und energetischer Bewegung erfüllt sind.

 

Dabei gelingen ihr leuchtende Bilder von vitaler und sinnlicher Intensität.“

 

Brigitte Klebac

 

 

 

"Daß die Tusche-Arbeiten von Inge Jakobsen nicht nur Ergebnisse einer improvisierenden, spontanen malerischen Gestik sind, beweist auch ein Blick in die umfangreichen Arbeitsbücher der Künstlerin. Sie bilden eine Ideenwerkstatt von verblüffendem Reichtum der Erfindung. In unzähligen kleinformatigen Bleistiftszeichnungen klärt Inge Jakobsen ihre Bildvorstellungen. Sie beweisen vor allem, dass die Malerin stets von Natureindrucken ausgeht, die ihre Arbeit- nach ihren eigenen Worten- eine größere Freiheit der Gestaltung ermöglichen.

Viele dieser Zeichnungen rufen Assoziationen an Architektur und an Landschaften hervor und tatsächlich finden wir diese Assoziationen auch in den Tuschebildern der Künstlerin wieder- die an das Gebaute von Architektur und an das Horizontal-Gebreitete von Landschaften denken lassen."

 

Rudolf Härtl

 

 

Extracts:

 

“If you go into the artists way of thinking and into her process of creation you will find a very sensitive and various working field. Inge Jakobsens many working books show that she investigates nature and its phenomenens, especially its extreme contrasts, very closely. In the concentration on the main subjects, she found an individual and radical abstraction and reduction. In this way her pictures are born as inner reflections in forms and colour on the outside world.”

 

Brigitte Eva Klebac

 

Painters diary 

 

Life. The necessity of doing. Bending over, facing the surface of the picture like a trying field, approaching to put brush to surface, going in one direction, changing until forms appear, relating to new forms, creating tensions. Carefully paying attention to the negative forms until the composition appears as a whole. Waiting, testing. Nothing comes in between. In a soundless, empty space with no air, only driven by this need, deciding, yet not changing.

Left, right, up or down, tension or harmony, movement or rest, space or surface, born in silence, forms appear and speak. Sentences coming from the own laws of the picture. Compositions in movement, flying, sometimes quietly resting, carrying and holding on. Every form has its own character acting in its surroundings. Elements are broken up, cut up violently, ruthlessly. Others become restrained, restricted and inapproachable. The colour black is like life itself, warm as the earth or cool as a shadow. The colour white is light, space, the huge nothingness that everything strives towards. It reveals the background and yet becomes concrete form, glowing.

 

My pictures are posed questions to life, referring to the major themes of being af human being. The image language is close to natures circles including human behaviour. The grammatics I use is geometry, as an intention to express the maximum through a minimum, and formally referring to the geometric size of a painting. Through the years, starting with white and black, I have been developing geometric forms that are parts of a personal and formal universe, in which form is given allegorical potential in the picture.

 

The flight and fall of Icaros has been assisting me during this year as it is the story of reaching higher and end up failing, falling until the final destruction. Inspite of Icaros destany it is also the story of the fire that gives life, that inspires and create dreams.

 

My painting is not illustrative or illusionary but to me a painting should carry an inner mystery and this is what a painting can do: Express emotions, impressions, in colour and shape without having to rebuild reality. Like music it can open a world which can not be expressed in words.

 

 

Inge Jakobsen, 2009

 

 

 

 

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© Inge Jakobsen, Patrick Ly, Sonja Pachonik, Florian Lechner, Wolfgang Feik